„Schöner Warten“ – Befreie die Geisel in Dir!
Monate ist es her seit meinem letzten Blogpost. Weil ich zu faul war? Im Gegenteil! Ich war ausgesprochen fleißig und habe sowohl meine berufliche als auch private Zukunft vorbereitet. Da kommt viel Schönes! Bleiben Sie gespannt – ich werde in den nächsten Monaten ausführlicher berichten.
Warten lohnt sich (fast immer)
Glauben Sie nicht? Warten ist doch sinnlos und verschwendete Zeit? Verständlich, eine häufige Haltung. Dabei übersehen wir jedoch, dass Warten eine Kunst ist, ein unerwartetes Geschenk, das uns positiven Freiraum bietet.
Hier auch direkt der gedruckte Beweis: Das neue Buch meines geschätzten Kollegen Armin Nagel!
ARMIN NAGEL
Schöner Warten – Über den Umgang mit einem unvermeidlichen Zustand
Bastei-Lübbe/Lübbe Life, 2023
ISBN: 978-3-431-07052-1
Ab 25.08.2023 im Handel erhältlich.
„Schöner Warten – Über den Umgang mit einem unvermeidlichen Zustand“
Schöner Warten beschäftigt sich auf positive und unterhaltende Weise mit der Kunst des Wartens und zeigt auf, welche Möglichkeiten dieser unerwartete Freiraum schenken kann.
In seinem Buch versammelt Armin Nagel zahlreiche „Warteberater:innen“, die in Interviews, inspirierenden Texten und humorvollen Miniaturen ihre Expertise teilen und die Kunst des Wartens zelebrieren. Unter den Autor:innen sind viele bekannte Namen vertreten, u.a. Promis wie Rainer Callmund oder persönliche Vorbilder wie René Borbonus.
Zu meiner großen Freude durfte ich ebenfalls ein Kapitel zu seinem Buch beisteuern.
Mein Beitrag: „Befreie die Geisel in Dir“
In meinem Text „Befreie die Geisel in Dir“ schreibe ich über meine Entführung. Ein wahres Bootcamp in Sachen Warten!
Exklusiv für Sie (und damit das Warten bis zum nächsten Blogpost noch ein wenig schöner wird) finden Sie meinen kompletten Beitrag schon jetzt direkt hier.
Viel Freude beim Lesen!
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Befreie die Geisel in Dir
Warteberater Marc Wallert, SPIEGEL-Bestseller- Autor, Keynote Speaker
Marc Wallert aus Göttingen ist Autor des Bestsellers Stark durch Krisen. Als Deutschlands bekanntester Resilienz-Experte stärkt er Menschen im Umgang mit Stress oder Krisen und gilt laut STERN als »der Aufrichter«. Im Alter von 27 Jahren überlebte Marc als Geisel 140 Tage im philippinischen Dschungel. Wenn jemand weiß, was warten heißt, dann er.
Vom 23. April bis 9. September 2000 saß ich im philippinischen Dschungel und wartete als Geisel auf meine Freiheit, entführt von Kämpfern der Terrorgruppe Abu Sayyaf. Bis ich freikam, blieb es ungewiss, ob ich über- leben würde. Die Geiselhaft war ein knallhartes Ausdauer-Bootcamp. Hätte ich von Anfang an gewusst, dass mich 140 Tage Gefangenschaft inmitten eines Guerillakriegs erwarten, ich hätte womöglich aufgegeben.
Damals, mit 26, hatte ich mir vom Urlaub in Malaysia vor allem eines erhofft: viel Zeit. Erholung von meinem hektischen Berateralltag bei PwC und Qualitätszeit mit meinen Eltern, die ich seit meinem internationalen Karrierestart kaum gesehen hatte. Wir genossen das Unterwasserparadies von Sipadan, einer traumhaften Taucherinsel. Kein Stress, nichts übertreiben und einfach mal untertauchen!
Am Ostersonntag 2000 versucht uns mein Vater nach einem herrlichen Tag zu einem Nachttauchgang zu überreden. Ich will lieber entspannt einen Cocktail trinken und den Sonnenuntergang genießen.
Am Strand blicken wir gemeinsam in den rötlichen Abendhimmel und beobachten andere Schwimmer, wie sie im dunklen Pazifik abtauchen. Friedlicher geht es nicht.
»Go, Go, Go!« – bewaffnete Männer stürmen unser Tauchresort und schreien uns an. Mit vorgehaltenen Sturmgewehren zwingen sie uns auf zwei Fischerboote. Für uns und achtzehn weitere Geiseln beginnt eine albtraumhafte Wartezeit.
Akzeptieren
Auf dem Boot der Entführer kreisten meine Gedanken um zwei Sätze: »Warum wir?« und »Hätten wir bloß den Tauchgang gemacht.« Mit dem eigenen Schicksal zu hadern ist menschlich, auf Dauer aber sinnlos. Das Beste, was du in misslichen Lagen machen kannst, ist, das Beste daraus zu machen. Klingt banal. Ist aber so.
Ob du entführt wirst oder durch einen blöden Zufall deinen Zug verpasst: Es lässt sich nicht rückgängig machen. Es ist, wie es ist. Früher oder später werden die meisten von uns Geiseln widriger Umstände. Wir geraten unfreiwillig und unverschuldet in etwas hinein. Eine hoffnungsvolle innere Haltung hilft, das eigene Schicksal anzunehmen: »Wer weiß, wofür es gut ist?«.
Ich will nichts schönreden. Nicht jeder lernt im Bahnhofscafé beim Warten auf den verspäteten Anschluss die große Liebe kennen. Kurzes Fluchen ist okay, als akutes Druckventil nützlich. Doch der Blick sollte schnell nach vorne gehen.
Sein Schicksal »anzunehmen« bedeutet nicht, es »hinzunehmen«! Im Gegenteil: Es geht um das Annehmen der Herausforderung, raus aus der Opferhaltung, rein ins Handeln. »Was wäre jetzt die beste Option?«
Manchmal sind wir gefangen in Umständen, die wir nur bedingt beeinflussen können. Zug zu spät, Termin verpasst, Kunde verärgert. Bei uns Geiseln war der Urlaub geplatzt, und unser Leben lag in den Händen fremder Terroristen. Und jetzt? Einfach abwarten? Tee trinken? Loslassen? Bloß nicht! Es ist ein entscheidender Unterschied, ob man »nur« seine physische Freiheit einbüßt oder auch die innere.
Körperlich konnten wir unserem Schicksal zwar nicht entfliehen – dieser Zug war abgefahren. Doch du kannst immer etwas tun, um deine Lage psychisch zu verbessern. Als Gestalter fühlst du dich weniger ausgeliefert. In der Psychologie spricht man von »Selbstwirksamkeit«.
Handeln
Wochenlang saßen wir gefangen im Dschungel. Wir hatten Hunger und Todesangst, waren erschöpft und verzweifelt. Immer wieder machten uns die Entführer Hoffnung auf ein baldiges Ende. »Soon, very soon«, lautete ihre Standardantwort auf unsere Frage nach der Freilassung. Je mehr Hoffnung sie uns machten, desto ungeduldiger wurden wir.
Während der Pandemie ging es vielen Menschen wie uns im Dschungel: Sie wurden »Geiseln« eines Virus und der Maßnahmen, die die gewohnte Freiheit einschränkten. Der »Freedom Day« schien zum Greifen nah. Doch es dauerte und dauerte und dauerte.
Auf Erlösung zu warten, ohne zu wissen, ob und wann sie eintritt, ist tückisch. Da braucht es Geduld ohne Passivität! Wer abwartet, bis sich die äußeren Umstände verbessern, macht sich zum Opfer.
Klar, als Geisel hast du wenig Möglichkeit zu handeln. Du bist »entführt«, hast die Führung verloren. Doch unsere innere Freiheit behielten wir. Stück für Stück nahmen wir unser Schicksal in die Hand.
In unserem Dschungelgefängnis saßen wir den ganzen Tag auf dem Boden und hatten schreckliche Rückenschmerzen. Eines Tages war es mir möglich, Holz und Werkzeuge zu bekommen. Ich nutzte sofort die Gelegenheit und begann einen Stuhl zu bauen, mitten im Dschungel. Darauf konnten wir uns endlich aufrecht hinsetzen und anlehnen – die Rückenprobleme waren passé. Und das Gefühl der Ohnmacht war verschwunden. Ich fühlte mich stärker, innerlich frei und »selbstwirksam«.
Wer unfreiwillig zur Geisel äußerer Umstände wird – zum Beispiel unverschuldet den Zug verpasst –, verschlimmert mit Jammern sein Schicksal. Verändere den Fokus, und nutze die geschenkte Zeit.
Hoffen
Der Dschungel, ein Fall für »Carpe diem«? Lebe jeden Tag, als wäre es dein Letzter? Eher nicht. Wir harrten aus, ohne zu wissen, ob wir den nächsten Tag überleben würden, umgeben von Krankheiten, Krieg und Drohungen, uns zu enthaupten. Wir wollten den Tag unserer Freilassung erleben und mussten uns körperlich sowie mental auf eine lange Zeit vorbereiten und Reserven einteilen.
Wie motivierst du dich zum Durchhalten, wenn du nicht weißt, ob du das Ziel jemals erreichen wirst? Indem du dir Hoffnung machst, dich gedanklich in die Zukunft »beamst« und nicht auf Motivation von außen wartest.
In Gefangenschaft stellte ich mir vor, wie ich meinem Bruder Dirk nach meiner Freilassung von meinen Erlebnissen »damals im Dschungel« erzählen würde. Diesen Moment konnte ich mit allen Sinnen spüren: wie wir in meiner Lieblingskneipe sitzen, das kühle Bier in der Hand, mit einem »Ping« anstoßen würden und … hm, lecker! Diese Vision gab mir Kraft und meinem Warten einen Sinn.
Lachen
Es gibt Geduldsproben im Leben, da ist einem zum Weinen zumute. Weinen ist keine Schande, sondern eine körperliche Reaktion und Strategie. Weinen löst Stress, messbar. Und wenn alle Tränen vergossen sind, geht immer noch Lachen.
Einer der Entführer sagte zu uns: »Wenn die kein Lösegeld zahlen, enthaupten wir euch.« Ich zu mir: »Jetzt nur nicht den Kopf verlieren.« Meine Geiselhaft war eine unerwartete Geduldsprobe. Meine Auszeit vom hektischen Berateralltag hatte ich so was von bekommen, ein echtes Sabbatical. Monatelang abschalten, ohne Handy, keine Termine. Und das im T-Shirt unter Palmen – ein Traum! Galgenhumor brauchte ich auch nach unserer Rückkehr. Im Internet sah ich eine Bilder-Collage, die mich und meine Eltern in Gefangenschaft zeigte, mit dem Snickers-Slogan »Wenn’s mal wieder länger dauert«.
Musst du unfreiwillig warten? Nimm es mit Humor! Befreie die Geisel in dir, lass das Jammern, und mach das Beste draus: Du sitzt nur auf Gleis zwölf und nicht im Dschungel.
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Mehr zum Buch
ARMIN NAGEL
Schöner Warten – Über den Umgang mit einem unvermeidlichen Zustand
Bastei-Lübbe/Lübbe Life, 2023
ISBN: 978-3-431-07052-1
Ab 25.08.2023 im Handel erhältlich.
Mehr zu Armin Nagel, zum Buch und sogar einen „persönlichen Warteberater“ finden Sie hier:
www.warteberater.de
#schönerwarten