Was ist Resilienz?
In diesem Auszug aus dem SPIEGEL Bestseller „Stark durch Krisen“ erhalten Sie Antworten auf folgende Fragen:
- Was ist eigentlich Resilienz?
- Gibt es eine genaue Resilienz Definition?
- Kann man Resilienz trainieren?
- Wie lässt sich mentale Stärke entwickeln?
- Gibt es Risiken bei Resilienz?
Was ist eigentlich Resilienz?
Krisen sind anstrengend. Sie verlangen uns viel ab, vor allem, solange die jeweilige Krise akut ist. Krisen haben meiner Überzeugung nach auch viele positive Aspekte, wir können viel von ihnen lernen und an ihnen wachsen.
Dennoch erfordern sie eine Menge Kraft und »innere Stärke«, damit das gelingen kann. Diese »innere Kraft«, »Resilienz« genannt, bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit von Individuen oder Systemen (z. B. Teams und Organisationen) gegen Belastungen (sogenannte Stressoren) von innen und außen. Auch die Fähigkeit, sich nach Widrigkeiten schnell und nachhaltig zu erholen, wird darunter verstanden.
Bis heute gibt es jedoch weder eine eindeutige Definition von Resilienz noch ein einheitliches Verständnis, welche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen genau damit gemeint sind.
Der Begriff Resilienz leitet sich aus dem lateinischen Begriff »resilire« ab und bedeutet »zurückspringen« oder »abprallen«. Er wurde erstmals in der Physik verwendet, genauer in der Materialforschung, und bezeichnet dort die Eigenschaft eines Materials, bei mechanischer Belastung entweder die ursprüngliche Form beizubehalten oder nach Verformung schnell in den Ausgangszustand zurückzukehren.
Diese physikalische Eigenschaft kennen und nutzen wir in unserem täglichen Leben. Denken Sie z. B. an eine Sprungfeder: Indem wir die Feder zusammendrücken, also Kraft auf sie einbringen, verformt sie sich. Ihre Resilienz ist jedoch so hoch, dass sie unbedingt in ihren Ausgangszustand zurückstrebt, sobald keine Kraft mehr von außen auf sie einwirkt – sie »wehrt« sich gegen eine dauerhafte Verformung. Im Ergebnis gibt sie die eingebrachte Kraft wieder ab und »federt« zurück in ihre ursprüngliche Form. Die Sprungfeder hat also eine sehr hohe Resilienz.
Im Gegensatz dazu hat beispielsweise Glas eine sehr geringe Resilienz: Es zerbricht bei Krafteinwirkung.
Seit den 1950er-Jahren wird der Begriff Resilienz auch in der Psychologie verwendet. Natürlich lässt sich die ursprüngliche physikalische Definition dabei nicht unreflektiert auf die menschliche Psyche übertragen. Unsere Psyche ist schließlich kein Material, das mechanisch verformt wird. Der physikalische Ursprung ermöglicht jedoch ein gutes Grundverständnis, was Resilienz auch in der Psychologie beschreibt: die psychische Widerstandsfähigkeit gegen Belastung.
Es gibt eine Vielzahl möglicher Belastungen, die uns im Laufe unseres Lebens begegnen. Ebenso vielfältig wie diese Belastungen sind sowohl die Wahrnehmung ihrer Intensität als auch die individuellen Strategien und Möglichkeiten zu ihrer Überwindung. Es gibt nicht die eine allgemeingültige Formel, um beispielsweise mit Stress oder Trauer umzugehen. Was dem einen hilft, macht es für den anderen nur schlimmer. Denn unsere Widerstandsfähigkeit besteht immer aus einem individuellen Vielklang an persönlichen Eigenschaften, erlernten Fähigkeiten und situationsbedingten Verhaltensweisen. Alle davon sind richtig, und ihr Zusammenspiel ist ebenso individuell wie jeder von uns.
Resilienz Definition
Darum fällt eine eindeutige Definition von Resilienz so schwer. Heute gibt es eine Vielzahl von Definitionen und Modellen zum Thema Resilienz, die sich mal mehr, mal weniger überschneiden. Meist umfassen sie jedoch andere Faktoren, betrachten unterschiedliche Perspektiven oder betonen die Wichtigkeit verschiedener Eigenschaften oder Fähigkeiten. Sie alle ringen um ein besseres Verständnis dieser wichtigen psychischen Kraft.
So beschreibt beispielsweise Kalisch (2017) Resilienz als »die Aufrechterhaltung oder schnelle Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während und nach Widrigkeiten«. Hingegen betont Masten (2016) eher den Aspekt der Anpassungsfähigkeit. Für sie ist Resilienz »das Vermögen eines dynamischen Systems, sich erfolgreich Störungen anzupassen, die seine Funktion, Lebensfähigkeit oder Entwicklung bedrohen«. Die Therapeutin Rosemarie Welter-Enderlin (2008) ergänzt den Begriff noch um die entwicklungspsychologische Perspektive und versteht unter Resilienz »die Fähigkeit von Menschen (…), Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen«.
Alle Definitionen drehen sich in ihrem Kern um vier wesentliche Punkte zur Bewältigung von Belastungen (z. B. Stress): Umgang mit Stress, Reduktion von Stress, Erholung nach Stress, ergänzt um »Wachstum« bzw. Entwicklung nach Stress. Die ersten drei Faktoren helfen, um stark durch Krisen zu gehen, also während einer akuten Krise psychisch gesund zu bleiben. Der vierte Faktor ist hilfreich, um stark durch Krisen zu werden, also an ihnen zu wachsen und für kommende Krisen besser gerüstet zu sein.
Wie genau das bestmöglich gelingen kann, ist je nach Modell und Perspektive ein klein wenig unterschiedlich.
Ein häufig verwendetes Modell ist das der »Säulen«, das hilfreiche Eigenschaften und Fähigkeiten zusammenfasst.
Ich nenne sie »Schutzfaktoren«, da sie mich sowohl im Dschungel als auch in meinem Privat- und Berufsleben immer wieder geschützt haben.
Meine wichtigsten Schutzfaktoren lauten: Akzeptanz, Optimismus, Stresskompetenz, Selbstwirksamkeit, soziale Unterstützung und Fitness. Jeder von uns verfügt über seinen ganz individuellen Mix aus diesen (oder auch weiteren) Schutzfaktoren, um mit Belastungen umzugehen. Spannend dabei ist, dass ausgeprägte Stärken in einer Kompetenz mögliche Schwächen in einer anderen ausgleichen können.
Es ist also nicht erforderlich, jeden einzelnen Schutzfaktor meisterlich zu beherrschen. Vielmehr sollten die bereits vorhandenen Schutzfaktoren, die sich aus den persönlichen Ressourcen und Strategien ergeben, zielgerichtet und nachhaltig eingesetzt werden.
In jedem Fall ist es lohnenswert, sich mit der eigenen Resilienz zu beschäftigen. Denn inzwischen ist gut erforscht, dass Resilienz nicht nur einen widerstandsfähigen Umgang mit Belastungen ermöglicht. Ihr werden noch viele weitere positive Auswirkungen zugeschrieben. So haben Menschen mit einer hohen Resilienz häufig weniger körperliche Beschwerden, erholen sich schneller nach Belastungen, passen sich schneller an Veränderungen an, leiden weniger unter Ängsten und Depressionen und verfügen über eine höhere Lebenszufriedenheit.
Resilienz wirkt sich also deutlich positiv auf das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden von Menschen aus. Und das Beste: Resilienz kann man lernen und trainieren!
Die genannten Schutzfaktoren stellen dabei einen sehr soliden Rahmen als Orientierung zur Verfügung. Denn es geht nicht darum, den einen Weg oder die eine Kompetenz zu erwerben, vielmehr darum, eigene Ressourcen, Potenziale und Strategien beim Umgang mit Belastungen zu erkennen, zu nutzen und immer weiter zu entwickeln.
Resilienz fördern
Dabei leuchtet ein frühzeitiges, präventives Vorgehen ein, weshalb Resilienz und speziell Resilienzförderung auch in der Kinder- und Jugendpsychologie ein hoher Stellenwert zugesprochen wird. Aber auch psychisch belastende Berufe, sogenannte Risikogruppen, wie beispielsweise Einsatz- und Rettungskräfte oder Mitarbeiter auf Intensivstationen können von gezielter Resilienzförderung profitieren.
In den letzten Jahren habe ich leider immer wieder die Erfahrung gemacht, dass vor allem in Unternehmen unter Resilienz lediglich die Leidensfähigkeit von Mitarbeitern verstanden wird, also die (fragwürdige) Fähigkeit, zunehmenden Druck und Belastung auszuhalten. Dabei geht es häufig nicht primär darum, die persönliche Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten oder zu fördern, sondern vor allem die Leistungsfähigkeit (im Sinne des Unternehmens) unter widrigsten Bedingungen sicherzustellen.
Meines Erachtens greift dieser Ansatz zu kurz und ist potenziell sogar kontraproduktiv. Stressbelastungen sind ernst zu nehmende Warnsignale für mögliche Krisen – ähnlich einem Rauchmelder. Denn sobald dieser anspringt, entfernen wir nicht einfach die Batterie, damit er Ruhe gibt, sondern wir machen uns auf die Suche nach der Ursache: Rauchentwicklung (schleichende Krise/Belastung), Brand (akute Krise) oder Fehlalarm (individuelle Resilienz)? Erst danach stellt sich die Frage: Muss man die individuelle Resilienz, also die Widerstandskraft der Mitarbeiter, gezielt stärken? Oder ist es vielmehr erforderlich, etwas an den Ursachen für die Belastung zu verändern? Die Mitarbeiter immer »leidensfähiger« zu machen, reicht dabei in den seltensten Fällen aus – und kann sogar kontraproduktiv sein. Denn was passiert, wenn der Rauchmelder auf einen tatsächlichen Brand nicht mehr reagiert? Der mögliche Schaden ist immens. Daher sind vor allem Führungskräfte gefragt, nachhaltig mit den Ressourcen ihrer Mitarbeiter umzugehen, um diese nicht zu »verbrennen«, und Stressindikatoren als Warnsignale ernst zu nehmen, um die Ursachen frühzeitig zu beheben.
Zur Vertiefung
Buch
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