Raus aus der Opferrolle – Selbstwirksamkeit stärken!
Die sogenannte „Selbstwirksamkeit“ hat mir als Geisel geholfen, stark zu bleiben und nicht in der Opferrolle zu verharren. Indem ich ins Handeln kam, fühlte ich mich kraftvoll statt ausgeliefert. Allein schon das Gefühl der Handlungsfähigkeit hat meine innere Widerstandskraft (Resilience) gestärkt und half mir, meine Geiselhaft auf den Philippinen unbeschadet zu überleben.
Meine Entführung im Jahr 2000 verlief verblüffend ähnlich wie die aktuelle Pandemie: Gefangen in einer bedrohlichen Situation, der wir nicht entfliehen können. Daher wirken meine „Dschungelstrategien“ für innere Stärke hier und heute genauso gut wie damals im Dschungel.
Was ist Selbstwirksamkeit und wie kann man Sie trainieren? Dazu mehr am Ende dieses Artikels. Doch nun erstmal zur Frage, wie wir uns innerlich aus einer Geiselhaft befreien können.
Die Opferrolle als mentales Risiko
Aktuell fiebern viele Menschen auf Ihren Impftermin hin. Die Erschöpfung nach monatelangen Freiheitsbeschränkungen und die Angst vor einer Corona-Infektion sind so groß, dass sogar so etwas wie „Impfneid“ entsteht. Die Lage ist angespannt. Menschen warten gespannt auf Ihren Impftermin und die ersehnte Freiheit.
Doch Achtung: Wer nur wartet, wird zum Opfer! Denn sobald das eigene Schicksal einzig von den äußeren Umständen abhängt, fühlen sich Menschen ohnmächtig und ausgeliefert. Wer zu lange in dieser passiven Opferrolle verharrt, droht seine Zuversicht und innere Kraft zu verlieren.
Selbstwirksamkeit durch Handeln statt Warten
In Krisen gilt: Handeln statt abwarten! Geht nicht? Gibt’s nicht! Wir können unserem Schicksal vielleicht nicht immer entfliehen. Aber wir können IMMER etwas tun, um es zu verbessern, zumindest ein bisschen. Und ein bisschen reicht oft schon.
Im Dschungel saßen wir wochenlang in Gefangenschaft, auf dem Boden, bestenfalls auf Kokosnüssen. Fast alle Geiseln hatten Rückenschmerzen. Dann bot sich eine einmalige Gelegenheit: Ein paar Holzlatten, Hammer und Säge. Ich begann einen Stuhl zu bauen, um unsere Lebensbedingungen zu verbessern. Mit einem ungeahnt positiven Nebeneffekt, wie sich später herausstellen sollte.
A gesunde Darmflora oder 30 Minuten Bewegung pro Tag senken messbar die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Infektionsverlauf. Also lieber bewegen als die Zeit abzusitzen. Besser gesund ernähren als Chips & Cola auf dem Sofa. Der Alkohol- und Tabakkonsum hat seit Corona deutlich zugenommen. Dabei liegt gerade in dieser Krise eine besondere Chance: Raucher gehören zur Corona-Risikogruppe – also DIE Gelegenheit, um mit dem Rauchen aufzuhören!
Mentale Stärke durch Selbstwirksamkeit
Der Stuhl im Dschungel hat unsere Haftbedingungen massiv verbessert. Endlich konnten wir mal aufrecht sitzen und uns anlehnen. Was für eine körperliche Entlastung! Noch wichtiger allerdings war der mentale Effekt: Schon in dem Moment, als ich die Säge in die Hand nahm, spürte ich den Effekt der sogenannten „Selbstwirksamkeit“. Statt ohnmächtig fühlte ich mich „selbst wirksam“. Ich konnte tatsächlich etwas tun, um meine Situation zum Positiven zu wenden. Allein schon das Gefühl der Handlungsfähigkeit beförderte mich aus der kraftlosen Opferhaltung in die Rolle des aktiven Gestalters.
Lesen Sie hier, wie Sie Ihre Selbstwirksamkeit stärken können, nicht nur in Zeiten von Corona.
(Ein Auszug aus dem SPIEGEL-Bestseller „Stark durch Krisen“)
Selbstwirksamkeit: Wie man aus der Opferrolle heraus- und ins Handeln hineinkommt
In Krisen und belastenden Zeiten ist es Gold wert, wenn man aus dem Gefühl der Ohnmacht herauskommt, auf die eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Situation vertraut und beginnt, selbst wirksam zu werden. Das Konzept der sogenannten Selbstwirksamkeitserwartung vom kanadischen Psychologen Albert Bandura bezeichnet die subjektive Erwartung, Anforderungssituationen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Menschen, die ihre Lebensbewältigungskompetenz optimistisch einschätzen, das heißt, an sich glauben, gehen Herausforderungen optimistischer und aktiver an und zeigen dabei größeres Durchhaltevermögen als Menschen, die weniger Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzen. Im Ergebnis leiden selbstwirksame Menschen nachweislich seltener unter Depressionen, Burn-out-Symptomen oder Schmerzen und bewältigen traumatische Lebensereignisse besser als Personen mit weniger Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Selbstwirksamkeit entsteht bereits in den ersten Lebensmonaten, zum Beispiel wenn Babys erkennen, dass ihre Eltern kommen, wenn sie schreien, oder dass eine Rassel Geräusche macht, wenn sie sie schütteln. Sie lernen: Sie können mit ihren Handlungen etwas bewirken. Aber auch Erwachsene können ihre Selbstwirksamkeit auf relativ einfache Weise entwickeln. Hier einige Möglichkeiten, die Sie problemlos in Ihrem Lebensalltag umsetzen können:
- Lernen Sie aus Ihren persönlichen Erfahrungen:
Je öfter Sie die Erfahrung machen, dass Sie mit Ihren eigenen Handlungen Ihre Situation beeinflussen und verbessern können, desto stärker wird Ihr Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten. Stecken Sie sich dazu lieber kleine realistische Teilziele – beispielsweise einen kurzen Dauerlauf statt eines Marathons –, und seien Sie stolz darauf, aus eigener Kraft einen Erfolg herbeigeführt zu haben. Damit steigern Sie Ihre Motivation, sich der nächsten Herausforderung zu stellen. - Suchen Sie sich Vorbilder:
Am besten suchen Sie sich Vertrauenspersonen, die Ihnen charakterlich ähneln und in einer vergleichbaren Lebenssituation sind, damit Sie sich mit ihnen identifizieren können. Folgen Sie ihrem Vorbild in dem Sinne: Wenn es meinem Freund gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören, dann schaffe ich das auch! Dieses sogenannte Modelllernen können Sie leicht in Ihrem alltäglichen Lebensumfeld praktizieren. - Lassen Sie sich ermutigen:
Zuspruch aus der Familie oder dem Freundeskreis wirkt sich positiv auf Ihre Selbstwirksamkeit aus. Positives Anfeuern und Vertrauen in Ihre Person (»Du schaffst das schon!«) motiviert zum Handeln. Wenn es Ihnen gelingt, eine Herausforderung wie zum Beispiel eine Prüfung zu bestehen, dann stärken Sie Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. - Interpretieren Sie Ihre Körperbotschaften positiv:
Die Art, wie wir körperliches Empfinden deuten, hat großen Einfluss auf unsere Selbstwirksamkeit. Wenn Sie vor einer Prüfung schwitzen, dann sagen Sie nicht »O nein, ich bin aufgeregt vor lauter Versagensangst«, sondern »Super, mein Körper läuft auf voller Leistung und ist bereit durchzustarten«. - Mein persönlicher Tipp in Notlagen:
Helfen Sie anderen Menschen! Die Helferrolle ist eine sehr dankbare Rolle, da man in der Situation etwas Sinnvolles bewirken kann und daraus Kraft schöpft. Damit hilft man nicht nur anderen Menschen, sondern zugleich auch sich selbst.